Die Geschichte des St. Sebastian-Schützenvereins Wiedenbrück bis 1933
Die Geschichte des St. Sebastian-Schützenvereins Wiedenbrück ist eng mit der Geschichte der Stadt Wiedenbrück verbunden.Dabei wird man bei der Aufarbeitung der Vereinsgeschichte auch immer wieder auf städtische Unterlagen zurückgreifen müssen, weil schriftliche Aufzeichnungen des Vereins nicht mehr durchgängig vorhanden sind.
Wiedenbrück gehörte bis 1803 Fürstbistum Osnabrück, das Wiedenbrück zum kirchlichen Mittelpunkt und Verwaltungszentrum für die umliegende Gegend machte.
Um 785 wurde die Hauptkirche St. Aegidius als eine der vier ältesten Tauf- oder Urkirchen des Bistums Osnabrück gegründet.
952 verlieh Kaiser Otto der I. dem Bischof von Osnabrück für Wiedenbrück das Münz-, Markt- und Zollrecht. Am Ende des 13. Jahrhunderts hatten sich Städte wie Wiedenbrück Selbstverwaltung, Siegelrecht und Ratsverfassung sowie die niedere Gerichtsbarkeit und eigene Bestimmungen zu Straf-, Prozess- und Privatrecht erkämpft. Bürger hatten das Recht, ihre Sache vom zuständigen Stadtgericht und nicht vom landesherrlichen Gericht verhandeln zu lassen („privilegium de non evocando“).
Wiedenbrück wurde bereits im Mittelalter in vier Stadtbereiche eingeteilt, den Langenbrücker Hof, den Rinderpfortenhof, den Ostenpfortenhof, den Neuenpfortenhof. Ein Hofherr war jeweils Vorsteher eines Stadtteils. Er wurde von den Bürgern gewählt und nahm fest umschriebene allgemeine Aufgaben wahr. Seit dem 13. Jahrhundert war der Reckenberg Amtssitz des Vertreters des Landesherrn, dem fürstbischöflichen Gografen (Gaugraf), der die Verwaltung der bischöflichen Aufgaben wahrnahm, sowie das Gogericht und das Femegericht führte.
Der Holzgraf (Holtgreve)wurde von den Teilnehmern einer Holzmark als oberster Richter und Vorsitzer in den Markversammlungen gewählt. Diese Holzgrafen verfügten in den Holzgerichten über Kultur und Benutzung nach hergebrachten Markrechten und leiteten bzw. verwalteten die gemeinsamen Verhandlungen und Interessen. Es gab sie besonders in Westfalen und Niedersachsen, wo es in einigen Holzmarken auch Ober- und Unterholzgrafen gab. Der Holzgraf war ebenso Grundherr über eine Holzmark, sofern er zugleich diese Gerichtsbarkeit innehatte.
Der Fürstbischof hatte in seiner weltlichen Funktion drei Aufgaben: Er war Landesherr, Stadtherr und Grundherr. Die Verwaltung der Stadt erfolgte durch zwei Bürgermeister und zehn weiteren Ratsherren, die von den Bürgern der vier Stadtbereiche gewählt wurden. Die Statuten der Stadt wurden 1462 festgelegt. Seinerzeit war die gesamte Stadt von Wällen, Mauern mit Torhäusern, Zugbrücken und Landwehren umgeben, die sie ihren Bürgern Schutz gewährten.
Um in den Genuss von Schutz und Privilegien eines städtischen Gemeinwesens zu gelangen, musste man durch Zahlung eines Bürgergeldes und durch Ablegen eines Bürgereidesdas Bürgerrecht erwerben. Dafür hatte der Bewerber nachzuweisen, dass er von ehelicher Geburt, nicht leibeigen oder fremder Herrschaft untertan und nicht in andernorts anhängige Rechtshändel verwickelt war. Zum Beleg der wirtschaftlichen Unabhängigkeit musste ein Kapitalnachweis erbracht werden oder ein Lehr- bzw. Meisterbrief vorgelegt werden. Mancherorts hatte der Bewerber Bürgen zu stellen, die dafür garantierten, dass er den Bürgerpflichten genügen und das Bürgergeld zahlen würde. Nach regulärem Ablauf einer Probefrist wurde der Bürgereid abgelegt, das Bürgergeld entrichtet und es erfolgte der Eintrag ins Bürgerbuch. Bürgerlisten bzw. Bürgerbücher von Wiedenbrück sind ab 1480 erhalten.
Das Bürgerrecht beinhaltete Rechte und Pflichten. Zu den Rechten zählten Freizügigkeit, freies Konnubium (Heirat in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten), Testierfreiheit, Freiheit von nichtstädtischer Heerfahrt und von stadtfremder Gerichtsbarkeit, aktives und – häufig mit Einschränkungen – passives Wahlrecht. Zu den Pflichten zählten u.a. Treuepflicht gegenüber der Stadt, Bereithaltung eigener Waffen und Waffendienst zur Stadtverteidigung, Bereitschaft zu Löschdiensten, pünktliches Entrichten städtischen Steuern und die Versicherung, vor dem Wegzug die Erlaubnis des Rats einzuholen. Wollte ein Bürger aus der Stadt wegziehen, so hatte er nachzuweisen, dass er in der Stadt keine Schulden mehr hatte und musste einen "Abzugseid" schwören.
Schon um 1200 bestanden vielerorts Bürgervereine, Zünfte oder Gilden genannt, welche nach ihrem Handwerk oder nach Stadtvierteln geordnet, sich sowohl zur Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Belange, als auch zwecks Übung in den Waffen, zusammengeschlossen hatten. Die Übung in den Waffen war auch eine Notwendigkeit, denn bei den im Mittelalter nur allzu häufigen Überfällen waren die Bürger der Stadt nur auf sich selbst angewiesen.
Die Zünfte, Gilden oder Ämter betrachteten sich als Bruderschaften und nannten sich auch so, weil jeder Amtsbruder die Pflicht hatte, dem anderen im Falle der Not brüderlich beizustehen. Da die Gilden oder Ämter sich aus kirchlichen Bruderschaften ableiteten, wie etwa in Wiedenbrück vermutlich der Kalandsbruderschaft, kam die Sitte auf, der Gilde einen Patron zu geben, und sie nach ihm zu benennen. In Wiedenbrück hieß zum Beispiel das Schmiedeamt ursprünglich St. Peters-Amt. Jede Gilde hatte ihre eigenen Satzungen und Rechte, die vom Landesfürsten oder Rat bestätigt bzw. genehmigt wurden.
Schon sehr früh wird im Mittelalter über den Begriff Schützen, Schützenbrüder und Schützenbrüdergesellschaft berichtet und man kann hieraus mit Bestimmtheit auf den engen Zusammenhang des Schützenwesens mit den alten Bruderschaften schließen. Sehr oft wurde der hl. Sebastian wegen seines Martyriums als der Patron der Schützen verehrt.
Wann sich die Wiedenbrücker Schützen als Bürgerwehr gründeten, ist nicht überliefert. Aber es ist zweifellos so, dass die Bruderschaft schon lange Zeit vorher bestand, als das urkundlich nachgewiesen werden kann.
Die Sebastian-Bruderschaft war ehemals eine öffentliche Institution, nämlich eine aus Bürgern bestehende, der städtischen Obrigkeit unterstehende Wehr, deren Hauptaufgabe darin bestand, die Stadt und Festung Wiedenbrück und das umliegende Amt Reckenberg zu schützen. Die exponierte Lage dieses Amtes, welches häufig durch Grenzfehden beunruhigt wurde, erforderte eine fortwährende besondere Schutztruppe. Als solche waren die Schützen den Bischöfen von Osnabrück, die ohne die Hilfe der Schützen eine stärkere Besatzung in Wiedenbrück hätten unterhalten müssen, von unschätzbarem Vorteil. Als Gegenleistung gewährten die Bischöfe der Stadt und der Schützenbruderschaft in Stärke einer Kompanie mancherlei Vorteile und Auszeichnungen. Eine wichtige Obliegenheit der Schützen war die Überwachung der Mark, in der die Schützen die Rechte der Markgenossen zu beschützen und insbesondere darauf zu achten hatten, dass kein Unbefugter sein Vieh auf die gemeine Weide triebe. Die alten Markgenossenschaften besaßen eine besondere Gerichtsbarkeit in den Markangelegenheiten. Die Marken bestanden zu alter Zeit fast nur aus Holzungen. In der Mark von Wiedenbrück war der Bischof von Osnabrück oberster Holzgraf, Mitholzgrafen waren der Graf von Rietberg und der Abt von Marienfeld. Die Schützen zogen ferner jährlich mindestens einmal auf Befehl des Rates mit dem Gografen oder einem anderen Diener des Amtes Reckenberg aus, um Ungesetzlichkeiten der Nachbarn in der Mark abzustellen. Fanden sie dort Vieh (Pferde, Kühe, Schafe usw.), welches zur Weide nicht berechtigt war, so wurde es nach Wiedenbrück getrieben. Diese Amtshandlungen, zu denen die Schützen verpflichtet waren, nannte man „Schütten“, d.h. pfänden. Der Eigentümer des Viehs erhielt es nur gegen Zahlung eines bestimmten Pfandgeldes zurück. Dieses „Schüttengeld“ erhielten die Schützen. Die eingenommenen Schüttengelder wurden nachher stets gemeinschaftlich verzehrt.
Fanden die Schützen in der Gemarkung eigenmächtig errichtete Umzäunungen (Zuschläge), oder unerlaubt aufgerichtete Schweineställe, kleine Häuser usw., so wurden diese niedergerissen und das Holz verkauft, oder sie wurden verbrannt.
Die Schusswaffe der Schützen war im Mittelalter allgemein die Armbrust, die sich noch lange nach Erfindung des Schießpulvers hielt. Die weitere Bewaffnung bestand unter anderem aus Hiebwaffen oder Spieß bzw. Pike und Hellebarde, später auch aus Handfeuerwaffen. Der Vogel, auf den beim Vogelschießen geschossen wurde, war der Papagei, jetzt der Adler, noch früher die Taube; aus kirchlichen Gründen wurde der Schuss auf die Taube abgeschafft. Manche Geschichtsschreiber leiten die als Grundton für die heutigen Schützenuniformen dienende grüne Farbe von den Farben des Papageienvogels ab.
Die Wiedenbrücker Schützenkompanie bestand aus 40 Schützen, jungen Bürgern der Stadt. An ihrer Spitze standen zwei Oberleute, einem „Ratsobbermann“ vom Rat der Stadt eingesetzt, und einem „Schüttenobbermann“, der von den Schützen gewählt wurde, ferner 2 Templierern (Vermögensverwaltern) und 2 Scheffern (Rechnungsführern). Sie wurden jährlich neu gewählt. Hierzu kamen ein Fähnrich, ein Leutnant und 2 Kugelschreiber.
In einer Urkunde vom 10. September 1492 (Städtisches Archiv, deponiert im Staatsarchiv Münster) ist „übersetzt“ und auszugsweise Folgendes festgehalten:
„Wir, Johann, Abt des Klosters Marienfeld, Mitholzgraf der Mark von Wiedenbrück, soweit es den Zehnten angeht, bekennen öffentlich für uns und unsere Nachkommen:
Bischof Conrad von Osnabrück, oberster Holzgraf und Junker Johann Graf zu Rietberg, Mitholzgraf der Mark von der Stadt Wiedenbrück erlauben Bürgermeister und Rat eine Wiese in der Mark hinter dem Erbe Buxel bis zu dem Vernehof (heute Verhoff) einzufriedigen und nutzbar zu machen, damit die Schützen sich mit Gewehren und Harnischen üben können.“
Die Sebastianer-Schützen waren neben dem Dienst an der Waffe auch verpflichtet, die Toten zu beerdigen; wie diese Verpflichtung entstanden ist, lässt sich nicht feststellen. Im kirchlichen Dienst begleiteten sie auch Prozessionen. Entstand Feuer, so waren die Gildemeister der Ämter und Lohnherren der Stadt nach einer 1612 erlassenen Feuer- und Brandordnung automatisch Brandmeister und hatten die Helfer an der Brandstelle zu beaufsichtigen. Die Fuhrleute mussten aus den zahlreichen Wiedenbrücker Brauereien Fässer und Tonnen für den Wassertransport holen. Alle Bürger hatten mit einem ledernen Eimer zu Brandstelle zu eilen und beim Löschen zu helfen, ansonsten drohte der Verlust der Bürgerrechte. Die Schützen traten bewaffnet mit Unter- und Obergewehr (d. h. mit voller Kriegsausrüstung) auf dem Markte an und standen zur Verfügung des Rates, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.
Das Übungsschießen fand auf einem speziell dafür vorgesehenen Gelände statt. Zum Beispiel haben 1596 Bürgermeister und Rat der Stadt mit den Erben des verstorbenen Cordt Pötter verhandelt und einen Pachtvertrag über ein Grundstück am heutigen Nordwall (zwischen Bielefelder Str. und Rektoratstr.) geschlossen, da der Schützenwall vor der Ostpforte „im halben Scheibenstande viel zu klein und gering war“. Auf Philippi et Jakobi (1. Mai) sollte dort jährlich auf Scheiben geschossen werden.Wer den besten Schuss tat, wurde vom Obermann zum König erklärt, arm oder reich, Senior oder Junior. Der König erhielt als Lohn einen silbernen Löffel, einen neuen Hut und halben Thaler, und genoss Wachfreiheit während eines ganzen Jahres.
Die Schützenoberleute hatten bei kleineren Vergehen im Dienst innerhalb der Schützengesellschaft Disziplinarstrafgewalt („das Brüchten“). Entweder wurde eine Geldstrafe verhängt oder mit einem Dreiling Bier „gebrüchtet“. Der Dreiling war ein Fass Bier und kostete damals ca. 3 Taler. Er spielte überhaupt bei den Schützen eine sehr große Rolle. Auch der Rentmeister des Amtes Reckenberg verehrte ihnen öfters einen Dreiling für außergewöhnliche Dienstleistungen. So z. B. am 15. September 1618, als die Schützen gegen den Gografen Bolzenius im ganzen Amte Reckenberg eine Zählung der Schafe vornahmen und die über die erlaubte Zahl gehaltenen Tiere pfändeten.
In dem alten Schützenbuch von 1525 (geführt bis 1667) sind zum Dreiling unter Anderem nachfolgende Einträge zu finden:
Im Jahre 1585 haben die Schützenbrüder, Mitte Sommer am Sonntag vor Johannistag mit Bewilligung des Bürgermeisters geschossen. Es entstand bei dieser Gelegenheit ein Streit zwischen dem Lohnherrn Poppe und dem Meier to Schlebrügge. Letzterer ging von Worten zur Tat über; der Lohnherr beklagte sich bei den Schützen, dass ihm Gewalt angetan. Die Oberleute nahmen sich des Lohnherrn an und der Meier musste sein Vergehen mit einem Fass Bier sühnen.
Am 24. April 1616 haben die Schützenbrüder nach altem Brauch das Bier für ihre Rechnung gekauft und getrunken. An diesem Abend hat ein junger Schützenbruder den Rat der Stadt verächtlich gemacht, deshalb wurde er von den Schützenbrüdern gebrüchtet (bestraft) zu 3 Reichstalern. Nach gehaltener Zehrung ließ der Rat den jungen Mann gefangen nehmen. Die Oberleute baten nun beim Rat um Freigabe des Schützenbruders an, weil die Brüchte (Strafe) den Schützen zukäme. Der Rat gab zur Antwort, dass er die Schützen-Gerechtigkeit nicht kränken wolle, dass er aber den Schützen criminaliter belangen wolle. Dieser musste dann gegen Erlassung der Haft und des Prozesses noch 7 Reichstaler zahlen, welche zu des Rats Verfügung verwendet.
Am 14. November 1618 wurden die Schützen von dem Drosten (Caspar von Oer) nach dem Hause des Wöste-Vogts gefordert, um daselbst „etlichen Reuthern zu wehren“. Dafür gab ihnen der Rentmeister einen Dreiling Bier.
1619, auf Fastnachts-Abend, tranken die Schützen ein Fass Bier. Darauf zogen sie in ein anderes Haus, wo Andere bei einem Gelage versammelt waren. Einer dieses Gelages versetzte einem Schützenbruder ohne Ursache mit einem Kübel einen Schlag gegen das Haupt, so dass „ein Loch ins Haupt“ die Folge davon war. Der Angreifer wurde zu 2 Talern gebrüchtet (bestraft), welche die Schützen in Otto Hölschers Haus verzechten.
Im Jahre 1645 waren Cord Winkelmann, und Johannes Difterbrod, Oberleute. „In diesem Jahre haben die Schützen auf „Maydag“ nach altem Gebrauche in ihrem Walle in die Scheiben geschossen und nachher in Otto Giwickenhorsts Hause getrunken. Da hat sich zugetragen, dass Rittmeister Wullffle ist gekommen und hat den Schützen die Spielleute nehmen wollen. Das haben die Schützen nicht leiden wollen und sich zur Wehr gesetzt und wäre bald ein großes Blutvergießen daraus entstanden; es war ein Glück, dass gerade zu dieser Zeit Ihre Hochfürstliche Gnaden (Fürstbischof Franz Wilhelm Graf von Wartenberg) hier anwesend war“.
1650 haben die Schützen die 1647 von den Schweden niedergerissene Ostenpforte wieder aufgerichtet. Dafür verehrte ihnen der Rat einen Dreiling Bier.
Auch andere Ereignisse wurden im Schützenbuch festgehalten. Zum Beispiel:
In der Chronik heißt es, dass „wegen des Krieges (30jähriger Krieg) in manchen Jahren weder nach der Scheibe geschossen, noch allgemeine Schützensachen vorgenommen“. Während des 30-jährigen Krieges fiel Königsschießen und Zehrung wiederholt aus.
Am 1. Dezember 1646 lagen die Schützen drei Nächte auf dem Stadtkeller in Bereitschaft, zu der Zeit, als Kommandant von Wiedenbrück, Oberstleutnant Balduin von Reumont, mit der militärischen Besatzung Wiedenbrücks das von den Hessen besetzte Paderborn überfiel und überrumpelte.
Anno 1647 ist die Stadt vom königlich Schwedischen Oberst von Königsmark belagert und den 16. Juli auf Acard übergegangen. „Sowohl von den Schweden als Hessen sind die Pfosten gesprengt, die Brustwehren und Wälle geschleift, die großen Geschütze entführet.“
1651, den 1. Mai, wurde Hauptmann Pfeffer mit seiner Kompanie Soldaten und der Schützenobermann Heinrich Biermann mit seinen Schützen nach Gütersloh kommandiert, um die dortige Kirche mit Gewalt zu eröffnen und den Pastor Johann Sprenger einzusetzen. Die Schützen verblieben als „Succurs“ (Unterstützung) in der Reserve vor dem Dorfe Gütersloh in dem „eijen Schemme“ (Schemm ist eine Flurbezeichnung) liegen.
Nach dem 30-jährigen Kriege beantragte der Stadtrichter Rothe, weil die Bürger unter 30/40 Jahren an Zahl und Vermögen sehr abgenommen hätten, die Schützenbruderschaft auf die „Halbscheid“ zu reduzieren, da ein Obermann, 1 Scheffer und 1 Templierer solches nächst 17 Schützen wohl verrichten könne.
Eine besondere Zuwendung zugunsten der Schützen rührt von dem Osnabrücker Bischof und späteren Kardinal Franz Wilhelm Graf von Wartenberg her. Dieser hielt sich vom 8. April bis zum 24. November 1644 in Wiedenbrück auf und gründete die Marienkirche und das Franziskanerkloster. Er wandte den Schützen die jährliche Summe von 12 Talern zu, die bis 1924 aus der Staatskasse gezahlt wurde.
Die Bruderschaft bestand im Wesentlichen unverändert bis ins 19. Jahrhundert hinein und büßte im 18. Jahrhundert nur dadurch an Bedeutung ein, dass die Obliegenheiten der Schützen sich verringerten, insbesondere auch der Wachtdienst, nachdem Wiedenbrück keine Festung mehr war. Es wurden jährlich Schießspiele (Schützenfeste) ausgetragen und im Anschluss Zehrungen abgehalten. Sie arteten zeitweise aus, so dass der Rat in verschiedenen Schützenordnungen z. B. in den Jahren 1742, 1745, 1761, 1762 und 1766 dagegen auftrat, um das übermäßige Zehren, Tanzen und Feiern, wozu besonders auch die sogenannte Königszehrung gehörte, abzustellen.
Unter napoleonischer Herrschaft trat eine weitere wesentliche Einschränkung ihrer Rechte und Pflichten ein. Nachdem noch im Jahre 1808 die Unterpräfektur zu Paderborn von dem Friedenrichter zu Wiedenbrück über die Bedeutung und Organisation der Schützengesellschaft Bericht eingezogen und darauf den unveränderten Fortbestand der Bruderschaft genehmigt hatte, wurde im Jahre 1812 durch Anordnung derselben Behörde die Schützenkompanie ab dem 1. Mai 1812 in ihrer Eigenschaft als polizeiliche Schutztruppe, aufgehoben, „weil inzwischen zur Aufrechterhaltung der Ordnung Gendarmen und Flurhüter aufgestellt wären“. Als bürgerlich-rechtliche Vereinigung ((Gesellschaft) bestand die St. Sebastian-Schützenbruderschaft zunächst mit der althergebrachten Verfassung und 40 Mitgliedern weiter. Später wurde die Bruderschaft Ende des 19. Jahrhunderts als St. Sebastian Schützenverein Wiedenbrück mit Statuten und höherer Mitgliederzahl als Bataillon mit 2 Kompanien fortgeführt.
Wegen „einer zu befürchtenden Missernte“ feierten die Sebastianer im Jahre 1893 kein Schützenfest. Dieser Grund scheint nur vorgeschoben. Vermutlich führten interne Querelen dazu, dass der Beschluss gefasst wurde, kein Schützenfest zu feiern. So gründete sich 1893 der Bürgerschützenverein, um ein Schützenfest zu feiern. Der Antrag an den Vorstand der Sebastianer, den Bürgerschützen den Schießstand und den Vogelstand zu überlassen, wurde abgelehnt. Daher bauten die Bürgerschützen einen eigenen Schießstand und errichteten eine Vogelstange. Auch eine eigene Fahne wurde angeschafft. 178 Mitglieder schrieben sich zum ersten Schützenfest der Bürgerschützen im August des Jahres 1893 ein.
1906 wurde der Sebastianer Hugo Brenken als letzter Ob(er)mann von der Regierung eingesetzt und 1922 endgültig wieder abgelöst.
Bis zu Jahr 1932 wurden in Wiedenbrück jährlich 2 Schützenfeste gefeiert. 1933 wurde auf einer gemeinsamen Vorstandsitzung der Sebastianer und der Bürgerschützen beschlossen, beide Vereine wieder zusammen zu führen. Seither heißt der Verein St. Sebastian-Bürgerschützenverein Wiedenbrück.
Aufgefrischt von:
Oberst Hermann-Josef Pierenkemper